Wasserversorger

Beispielprojekt: Wasserversorger


In diesem für unsere Tätigkeit typischen Projekt wurden wir von einem Wasserversorger - dem Zweckverband Gruppenwasserwerk Dieburg (ZVG) - beauftragt. Im südlichsten Brunnen einer Brunnengalerie überschreitet die Nitratkonzentration im Rohwasser mit 80 - 100 mg/L seit Beginn der Förderung Anfang der 80er Jahre den Grenzwert von 50 mg/L deutlich. Ein Trend ist nicht erkennbar.

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Fragestellung
Für das Wasserversorgungsunternehmen sollten wir folgende Fragen beantworten:

Voruntersuchung
In einer Voruntersuchung haben wir verschiedene mögliche Verursacher für die Nitratbelastung untersucht. Die meisten möglichen Quellen (Wald, Kanalisation, alte Sickergrube u.a.) konnten ausgeschlossen werden. Übrig blieb die Landwirtschaft, aus der auch bei ordnungsgemäßer Bewirtschaftung Nitratausträge nicht vermieden werden können, denn im Einzugsgebiet dieses Brunnens treffen ungünstige Voraussetzungen zusammen: Durch geringe Niederschlagsmengen wird das ausgewaschene Nitrat nur wenig verdünnt. Das chemische Milieu im Boden und im Grundwasser ließ außerdem schon am Anfang vermuten, dass keinerlei Denitrifikation (Abbau des Nitrats) stattfindet (s.u.).

Szenarien für schlagspezifische Nitratüberschüsse
Szenarien für schlagspezifische
Nitratüberschüsse (Vergrößerung)

Wie viel Nitrat enthält das neu gebildete Sickerwasser?
Um die Nitratüberschüsse der aktuellen landwirtschaftlichen Nutzung abschätzen zu können, wurde der Anteil der verschiedenen Ackerfrüchte im Einzugsgebiet ermittelt und mit einem Geoinformationssystem schlaggenau digital dargestellt. In mehreren Szenarien wurden den einzelnen Kulturen entsprechende Nitratüberschüsse zugewiesen.
Mithilfe der klimatischen Wasserbilanz wurde abgeschätzt, wie viel Wasser aus den Äckern und Wäldern jährlich versickert.
Aus den ermittelten Nitratüberschüssen und der Sickerwassermenge wurde die Nitratkonzentration im Sickerwasser errechnet, die aktuell zwischen 27 und 35 mg/L liegt.

Wie lange braucht das Wasser von der Bodenoberfläche bis zum Brunnen?
Wann das versickerte Wasser tatsächlich am Brunnen ankommt, hängt von der Verweilzeit in der so genannten ungesättigten Zone (dem Bereich zwischen durchwurzeltem Boden und der Grundwasseroberfläche) und im Grundwasser selbst ab. Mit Hilfe von Leitsubstanzen (z.B. FCKW) konnte diese mittlere Verweilzeit auf ca. 30 Jahre bestimmt werden (Hydrogeologie). Das bedeutet, dass das heute geförderte Rohwasser von der Landwirtschaft vor drei Jahrzehnten geprägt ist. Andererseits zeigen Maßnahmen zum Schutz des Grundwassers erst nach dieser Zeitspanne ihre Wirkung.

Wird das Nitrat auf dem Weg zum Brunnen abgebaut (Denitrifikation)?
Je nach chemischem Milieu (pH-Wert, Redoxpotential) kann Nitrat im Grundwasser abgebaut werden. Eine solche Denitrifikation lässt sich über die Isotopenverhältnisse von Sauerstoff (O) und Stickstoff (N) nachweisen. Stickstoff tritt natürlicherweise in den beiden stabilen Isotopen 14N und 15N auf. Während der Denitrifikation bevorzugen die Bakterien das leichtere 14N, wodurch 15N angereichert wird. Dasselbe gilt für die beiden stabilen Sauerstoffisotope 16O und 18O. Vergleicht man die Isotopenverhältnisse von O und N im Sickerwasser mit den Verhältnissen im Brunnen, lässt sich der Umfang der Denitrifikation halbquantitativ bestimmen.

Ausbringung von organischem Dünger
Der Einsatz von organischem Dünger ging in den
letzten Jahrzehnten stark zurück.

Für das Einzugsgebiet dieses Brunnens konnte in einer Isotopenuntersuchung keine Denitrifikation nachgewiesen werden. Daher gelangt sämtliches Nitrat, das aus dem Wurzelraum ausgewaschen wird, früher oder später zum Förderbrunnen.

Wie hoch waren die Nitratüberschüsse während der letzten Jahrzehnte?
Um die Entwicklung der Nitratkonzentration im Brunnenwasser beschreiben zu können, wurde der historische Verlauf der Nitratüberschüsse in der Landwirtschaft rekonstruiert. Hierzu haben wir statistische Jahrbücher ausgewertet, in denen landwirtschaftliche Daten wie Düngermengen, Erträge und Anbaufläche der unterschiedlichen Kulturen aufgezeichnet wurden. Darüber hinaus haben wir Landwirte nach ihrer Wirtschaftsweise in den letzten Jahrzehnten befragt. Daraus haben wir die mittlere Nitrat-Konzentration im neu gebildeten Sickerwasser für das gesamte Einzugsgebiet errechnet. Von Beginn der 70er bis Mitte der 80er Jahre lag demnach diese Konzentration im Sickerwasser bei etwa 100 mg/L, was den 30 Jahre später gemessenen Konzentrationen im Brunnen entspricht. Mitte der 90er Jahre lag für das Gesamteinzugsgebiet die Nitrat-Konzentration nur noch knapp über dem Grenzwert, in den letzten Jahren lag sie nach unseren Berechnungen unter 50 mg/L. Durch den besser angepassten Einsatz von Mineraldünger und einen Rückgang in der Verwendung von Stallmist und Jauche wurde in der Landwirtschaft der Stickstoffüberschuss innerhalb der letzten 30 Jahre auf ein Drittel reduziert.

Nitratkonzentration im Sickerwasser
Nitratkonzentration im Sickerwasser des
Einzugsgebiets von Brunnen XIX (Vergrößerung)

Berücksichtigt man die mittlere Verweilzeit von 30 Jahren, ist trotz dieser Erfolge mit einem Absinken der Nitratkonzentration im Brunnenwasser erst um das Jahr 2025 zu rechnen.

Aktuelle Messungen unter Acker und im Wald
Mit der SIA-Methode haben wir die Nitrat-Austräge direkt gemessen, um die berechneten Schätzwerte der Nitratauswaschung anhand gemessener Daten zu überprüfen. Diese Untersuchungen fanden zwischen Herbst 2004 und Herbst 2008 unter landwirtschaftlich genutzten Flächen und unter Wald statt. Für das Jahr 2004 ergab sich eine gute Übereinstimmung der beiden Methoden: Einer berechneten N-Fracht von 9 kg N/(ha a) steht eine gemessene von 7 kg N/(ha a) gegenüber. Dies entspricht Nitrat-Konzentrationen von etwa 27 bzw. 21 mg/L und liegt somit tatsächlich unter dem Trinkwassergrenzwert.

Gesamtbewertung
Die Stickstoffüberschüsse in der Landwirtschaft sind in den letzten Jahrzehnten um zwei Drittel reduziert worden. Obwohl die Ausgangslage durch die geringe Sickerwasserrate und den fehlenden Nitratabbau schlecht war, sank die mittlere Nitratkonzentration im Sickerwasser unter den Trinkwassergrenzwert.
Auf verschiedenen Wegen wurde für das neu gebildete Sickerwasser eine mittlere Nitratkonzentration von 20 - 40 mg/L berechnet. Aufgrund der langen Verweilzeiten des Wassers werden diese Erfolge aber erst in einigen Jahrzehnten im Brunnenwasser messbar sein.